Neues Buch über die Baureihe ET 170 erscheint am 21. Januar 2005 |
Ein Buch, das sich mit nur acht S-Bahnwagen befaßt? Das ist Absicht: Es handelt von einem Zug, der als erster neu entwickelter S-Bahnzug der Nachkriegszeit für Aufsehen sorgte. Mit ihm wollte die Berliner S-Bahn den Neuanfang wagen, doch alsbald zeigten sich arge Mängel. Sein Spitzname läßt die unerwarteten Überraschungen anklingen. Zunächst aber herrschte allgemeine Verblüffung, als der Zug im Jahr 1959 vor der Staatsoper Unter den Linden in Szene gesetzt wurde. Mit dem Blauen Wunder präsentierte die DDR etwas Neues, das in frischer blauer Farbe einen Bruch mit der Tradition signalisierte. Der Ehrgeiz, mit dem man sich Mitte der fünfziger Jahre in der DDR daran gemacht hatte, sich der Konkurrenz des Westens zu stellen, läßt sich auch bei der Entwicklung des Blauen Wunders ausmachen. Doch als der Zug 1959 auf den Schienen stand, drohte die Niederlage im Wettlauf mit dem westlichen Wirtschaftssystem. Erfolgsmeldungen zählten mehr als die tatsächlichen Erfolge, und nur wenigen war gegenwärtig, daß die technischen Vorgaben für diesen neuen Zug samt und sonders voller Gegensätze waren.
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Praktisch sollte in dem einen Fertigungsmuster gleich dreierlei vereint werden: die völlig neuartigen Konstruktionsvorgaben von Verkehrsministerium und Reichsbahn, die betrieblichen Wünsche der S-Bahnverwaltung und die tatsächlichen Möglichkeiten der Hersteller, auch eine neue Stromschienenspannung von 1500 Volt war gewünscht. Bei alledem waren Produktionskapazitäten und Zeit knapp, so daß der Zug schließlich in vielem nicht befriedigen konnte. Statt neuer Technik griff man auf Altbewährtes und sogar auf Westimporte zurück. Erst im Probebetrieb sollte sich nach und nach zeigen, was alles zu ändern und noch zu entwickeln war.
Als die Pläne für Serienfahrzeuge reiften, kam plötzlich alles anders: Der 13. August 1961 änderte die Gegebenheiten, und man beschloß, für alle künftigen Schnellbahnwagen - Drei- oder Vier-Wagen-Züge? Mit oder ohne Jakobsdrehgestelle? - völlig neue Konzepte zu entwickeln. Damit rückte die Serienfertigung neuer S-Bahnzüge in weite Ferne. Auf Umbauten und aufwendige Nachrüstungen am Blauen Wunder wurde verzichtet, und alle Wagen blieben für lange Zeit abgestellt.
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Diesen und anderen Zeitumständen der Jahre 1956 bis 1974 wird der Autor Mario Walinowski in dem Buch gerecht. Manches war zu ergründen, vieles mit Originaldokumenten oder mit den Aussagen von Zeitzeugen genau zu begründen. Um die charakteristischen Zusammenhänge der Entstehung und die Verwendung des Blauen Wunders ausführlich herauszuarbeiten, sind die Projektierung, die Montage, die Erprobung des Zuges und seine ab 1961 gänzlich veränderten Existenzbedingungen in den Hauptkapiteln getrennt behandelt. Die Unterkapitel fassen Schwerpunkte der Betrachtungen zusammen, Ergänzendes wird in Zusatztexten erläutert. Das Buch zeigt den Weg der DDR-Schienenfahrzeugindustrie vom Blauen Wunder bis zu den Planungen für standardisierte Stadtschnellbahnen, die später für Heluan/Ägypten, Budapest, als Wechslstrom-S-Bahnbaureihe 280 für die DDR-Bezirkshauptstädte gebaut wurden. Auch die Baureihe 270 beruht darauf.
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Oliver Wilking lieferte detaillierte Modellbaubogen. Sie machen es jedem möglich, den Zug, der einmalig war, in Form und Farbe nachzuempfinden und wieder entstehen zu lassen. Die Bastei-Sets sind beim Verlag auch separat erhältlich und gestatten nun sogar die späte Ehrenrettung: Das Blaue Wunder - der Zug, der nie in Serie ging - kann im Maßstab 1:87 in großer Stückzahl gebaut werden!
"Es entsteht ein Bild über Leistungen und Können, aber auch über Schwierigkeiten und Absurditäten im Wirtschaftsleben der DDR und ihrer Eisenbahn. So wird am Beispiel dieses Triebzuges auch ein Stück Geschichte beschrieben oder besser, lebendig erzählt. Fazit: Spannende Technik- und Zeitgeschichte." MODELLEISENBAHNER, Heft 10/2005.